Wer kennt ihn nicht, den großen Abenteuerspielplatz auf den „Schwarzen Feldern“ am östlichen Rand unseres Heimatortes?
Gemeint ist die Ruine der Flak-Stellung, welche, damals natürlich voll funktionstüchtig, Anfang der 40er Jahre des vorigen Jahrhunderts der Verteidigung Leipzigs, speziell des wichtigen Eisenbahnknotenpunktes in Paunsdorf, diente. Mir, Jahrgang 1958, ist dieser „vergessene Ort“ nur als ein regellos, aus mächtigen Betonplatten bestehendes, in sich zusammengestürztes „Kartenhaus“ in Erinnerung. Von der Natur zurückgeholt, dient das Areal jetzt als Rückzugsort für wilde Tiere und uns Schülern damals als Abenteuerspielplatz.
Was ich als Kind natürlich nicht wusste, ist, dass sich hier Ende 1943 eine 8,8-cm-Flakbatterie befand. Einer der damaligen Flakhelfer war ein Pennäler aus Halle an der Saale, sein Name: Hans-Dietrich Genscher (Aufnahme aus 1943) – später bekannt als Außenminister der BRD und einer der Architekten der Deutschen Einheit. Wie aus seiner Biografie hervorgeht, verbrachte er in Mölkau den lebensbedrohlichsten Abschnitt seiner Flakhelferzeit: in der Nacht zum Samstag, den 04. Dezember 1943, griff die britische Luftwaffe mit 527 Flugzeugen Leipzig an. Es wurden 1382 Tonnen Bomben abgeworfen, 1148 Menschen getötet, die Innenstadt wurde verwüstet. Die Flakstellung blieb unzerstört. Sicherlich kann sich der Ein oder Andere daran erinnern, dass sich an den Ecken, einige Meter außerhalb der eigentlichen Flakstellung gelegen, kreisförmige Betongebilde mit dicken Gewindebolzen befanden. Jetzt entfernt, fungierten diese damals als Anker zum Befestigen sog. Fesselballone. Diese dienten dem Selbstschutz in dem sie gegnerische Flugzeuge am direkten Überflug der Stellung hinderten. Was wohl auch gelang, denn Dieter und seine Kameraden überlebten. Von den Air-Force-Maschinen, die Leipzig in dieser Nacht bombardierten, kehrten 23 nicht nach England zurück. Ob diese von der Mölkauer Flak-Batterie getroffen oder abgeschossen wurden, ist nicht bekannt. Sicher ist nur, dass die Flakmannschaft „nie mehr so ballerte“ wie in dieser Nacht.
Wahrscheinlich nach dem Krieg zerstört aber nicht beseitigt, liegt das, aus der Ferne betrachtet, kleine Wäldchen völlig harmlos in der Landschaft. Mit dieser zuvor geschilderten Vergangenheit kann die ehemalige Flakstellung, auch wenn sie „nur“ der Verteidigung galt, als Mahnmal für die Sinnlosigkeit des Krieges gelten.
Vielleicht ist es auch interessant, wie ich an die Information kam, dass Hans-Dietrich Genscher einen Teil seines Lebensweges in Mölkau verbrachte?
Im März 1989 siedelte ich inoffiziell nach Westdeutschland um, was - wie wir wissen - zur damaligen Zeit nicht ganz ungefährlich war. Dabei war mir ein Mölkauer Schulfreund, welcher bereits in Frankfurt am Main wohnte, behilflich. Meine berufliche Laufbahn konnte ich nahtlos fortsetzten. Ehefrau und mein damals 5 - jähriger Sohn folgten über die Prager Botschaft im Oktober 1989. Hans-Dietrich Genscher mit seinem legendären Satz: Wir sind gekommen, um Ihnen mitzuteilen, dass heute Ihre Ausreise …“ der Rest ging im tosenden Jubel unter, kreuzte auch hier im weiteren Sinne meinen Lebensweg.
Jahre später sprach mich ein hessischer Kollege, der wusste das ich aus Leipzig stammte, an. Er meinte, dass er Mölkau gut kenne, was mich etwas verblüffte, Leipzig, ja, aber Mölkau!? Er berichtete mir, dass er als junger Bursche mehrere Monate als Flakhelfer dort stationiert war – gleichzeitig mit Hans-Dietrich Genscher. Es entspricht den Tatsachen; in einer fremdverfassten Biografie und einer Autobiografie namens „Erinnerungen“ ist dies nachzulesen. So schließt sich der Kreis oder so klein ist die Welt.
So kann man abschließend sagen, dass Mölkau mit Hans-Dietrich Genscher für einige Wochen eine prominente Persönlichkeit deutscher Geschichte zu seinen Einwohnern zählen kann.